Neutronensterne am Rande des Kollapses

1. Januar 2018
Neutronensterne sind die dichtesten Objekte im Universum. Ihre genauen Eigenschaften sind jedoch nicht bekannt. Auf Basis aktueller Beobachtungen und unter Nutzung von Computer-Berechnungen ist es einem internationalen Wissenschaftlerteam mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) nun gelungen, die Größe dieser Sterne genauer einzugrenzen. Die Wissenschaftler konnten damit eine Reihe von theoretischen Beschreibungen für die Neutronensternmaterie ausschließen.  

Wenn ein sehr massereicher Stern stirbt, kollabiert dessen Kern im Bruchteil einer Sekunde. In einer gewaltigen Supernova-Explosion wird sodann die äußere Sternhülle abgestoßen, zurück bleibt ein ultra-kompakter Neutronenstern. Die LIGO- und Virgo-Observatorien konnten kürzlich zum ersten Mal eine Verschmelzung zweier Neutronensterne durch die dabei abgestrahlten Gravitationswellen beobachten und die Masse der verschmelzenden Sterne messen. Zusammen hatten die Neutronensterne eine Masse von 2,74 Sonnen. Anhand dieser Beobachtungsdaten konnte das internationale Team von Wissenschaftlern aus Deutschland, Griechenland und Japan nun mit Hilfe von Computer-Simulationen die Größe von Neutronensternen eingrenzen. Die Berechnungen legen nahe, dass der Neutronensternradius mindestens 10,7 km sein muss.

Bei Neutronenstern-Kollisionen umkreisen sich zwei Neutronensterne zunächst, um schließlich zu verschmelzen und schlagartig einen neuen Stern mit ungefähr der doppelten Masse zu bilden. Bei diesem kosmischen Ereignis werden Gravitationswellen - Schwingungen der Raumzeit - ausgesandt, deren Stärke mit den Massen der Sterne zusammenhängt. Dies ähnelt einem ins Wasser geworfenen Stein, der Oberflächenwellen erzeugt. Je schwerer der Stein, umso höhere Wellen entstehen.

Die Wissenschaftler berechneten für die kürzlich gemessenen Massen verschiedene Verschmelzungsszenarien, um die Größe der Neutronensterne zu bestimmen. Dazu verwendeten sie verschiedene Modelle für die Neutronensternmaterie, sogenannte Zustandsgleichungen, die den genauen Aufbau von Neutronensternen zu erklären versuchen. Im Anschluss überprüfte das Wissenschaftlerteam, ob die berechneten Szenarien mit den Beobachtungen übereinstimmen. Die Schlussfolgerung: Alle Modelle, die zu einem unmittelbaren Kollaps der verschmolzenen Neutronensterne führen, können ausgeschlossen werden. Denn ein Kollaps führt zur Bildung eines Schwarzen Lochs, was wiederum bedeutet, dass bei der Verschmelzung relativ wenig Licht ausgesendet wird. Verschiedene Teleskope haben jedoch am Ort der Sternenkollision ein helles Lichtsignal beobachtet, was eindeutig gegen einen sofort einsetzenden Kollaps spricht.

Die Ergebnisse schließen damit eine Reihe zuvor aufgestellter Theorien für die Neutronensternmaterie aus, und zwar alle Modellbeschreibungen, die einen Neutronensternradius kleiner als 10,7 Kilometer vorhersagen. Der innere Aufbau der Neutronensterne ist dabei nach wie vor nicht genau bekannt. Die Radien sowie die Zusammensetzung im Inneren von Neutronensternen sind allerdings nicht nur für Astrophysiker, sondern auch für Kern- und Teilchenphysiker von besonderem Interesse. Denn der innere Aufbau der Sterne spiegelt die Eigenschaften hochdichter Kernmaterie wieder, wie sie sich in jedem Atomkern der uns bekannten Materie befindet.

Neutronensterne haben zwar eine etwas größere Masse als unsere Sonne, ihr Radius beträgt aber lediglich wenige Kilometer. Damit vereinigen die Sterne eine große Masse auf kleinstem Raum, was zu extremen Bedingungen im Innersten der Sterne führt. Diesen Bedingungen im Inneren spüren Forscher schon seit längerem nach und wollen insbesondere den Radius der Sterne besser eingrenzen, da dieser von den unbekannten Eigenschaften hochdichter Materie abhängt.

Die aktuelle Messung sowie die neuen Berechnungen helfen Theoretikern, die Eigenschaften von hochdichter Materie in unserem Universum besser zu verstehen. Die jetzt veröffentlichte Studie stellt einen erheblichen wissenschaftlichen Fortschritt dar, da sich damit ein Teil der theoretischen Modelle ausschließen ließ. Es gibt jedoch immer noch eine Vielzahl von Materiemodellen mit Neutronensternradien von mehr als 10,7 km.

Die Wissenschaftler konnten mit ihrer Arbeit zudem zeigen, dass jede weitere Beobachtung einer Neutronensternverschmelzung die Messung weiter verbessert. Die LIGO- und Virgo-Observatorien haben gerade erst mit ihren Messungen begonnen. Auch wird die Empfindlichkeit der Messinstrumente in den nächsten Jahren weiter steigen und noch bessere Beobachtungsdaten liefern.

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